Energiewissen
Die Energiepreise an der Börse fallen: Was das für Verbrauchende bedeutet
Die gefallenen Börsenpreise spiegeln sich nicht in der monatlichen Abrechnung wider – jedenfalls nicht sofort. Warum das so ist.
Im vergangenen Sommer stiegen die Einkaufspreise an der Börse teilweise um mehr als das Zehnfache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Sorge um den bevorstehenden Winter war groß. Doch nach einer kurzen Kältewelle wurde der Winter überraschend mild, und der Heizbedarf fiel geringer aus als angenommen. Innerhalb der letzten Wochen fielen die Preise für Strom und Gas an den Börsen wieder. Dies wirkt sich aber nicht sofort und unmittelbar auf die Endkundenpreise beziehungsweise den damit verbundenen monatlichen Abschlag aus. Wie kann das sein?
So beschaffen Unternehmen ihre Energie
Grundsätzlich haben kurzfristige Schwankungen an den Energiemärkten erst einmal keinen direkten Einfluss auf die Endkundenpreise, da die Versorger durch ihre langfristigen Beschaffungsstrategien versuchen, die Preisentwicklung zu glätten und Kundinnen und Kunden vor starken Preissprüngen zu schützen.
Energieversorger kaufen ihr Gas und Strom am Energiemarkt ein, beispielsweise an der Leipziger Energiebörse EEX. Die meisten Energieversorger setzen auf eine langfristige Beschaffung. Um das Risiko stark schwankender Börsenpreise zu minimieren, beschaffen sie das benötigte Gas beziehungsweise den Strom langfristig in Teilmengen und Schritt für Schritt zu verschiedenen Zeitpunkten, zum Teil Jahre im Voraus. Das im Voraus gekaufte Gas wird dabei nicht physisch gespeichert; es werden Lieferoptionen zu einem bestimmten Termin gekauft. Einige kaufen zum Beispiel jede Woche die gleiche Menge Gas ein, egal ob die Preise hoch oder niedrig sind, um so die Preisentwicklung zu glätten. Und tagesaktuell kaufen sie nur geringe Mengen Gas, um mögliche Abweichungen zwischen prognostiziertem und tatsächlichem Verbrauch auszugleichen. Eine solche langfristige Beschaffung ist wichtig, um eine sichere Energieversorgung zu gewährleisten und Risiken für Kundinnen und Kunden und EVU zu minimieren.
Welche Strom- und Gaspreise jetzt zu erwarten sind
Wenn die Großhandelspreise über einen längeren Zeitraum sinken oder steigen, kommt dies mit Verzögerung auch bei den Endkunden an. Dadurch sind Endkundenpreise im vergangenen Jahr auch nur verzögert und nicht im gleichen Maße wie die Großhandelspreise gestiegen. Die Kundinnen und Kunden haben 2022 von dieser langfristigen Beschaffung profitiert. Obwohl die Großhandelspreise im vergangenen Jahr zeitweise zwölfmal so hoch lagen wie noch Anfang 2021, sind die Endkundenpreise nicht auch um das Zwölffache gestiegen. Die vergleichsweise niedrigen Preise, die wir für aktuell am Gasmarkt gehandelte Gasmengen sehen, sind daher Preise für Gaslieferungen in der Zukunft, beispielsweise Lieferungen in einem Jahr. Die aktuellen Preisrückgänge werden also bei den Kundinnen und Kunden ankommen, aber eben auch verzögert. Das Gas, das man heute erhält und in Rechnung gestellt bekommt, wurde teilweise im vergangenen Jahr eingekauft, als die Preise extrem hoch waren. Diese Preise müssen die Versorger weitergeben. Sonst würden sie unter den Kosten verkaufen, die sie selbst für den Gaseinkauf hatten. Die guten Nachrichten für die Verbraucherinnen und Verbraucher sind: Um die aktuelle Belastung für die Haushalte zu senken, hat die Bundesregierung Energiepreisbremsen beschlossen. Und: Wenn die Preishöhen an den Börsen sich wieder stabilisieren und sinken, wird das natürlich langfristig auch die Endkundenpreise wieder entlasten.
Wir müssen aber auch beachten: Zwar sind die Großhandelspreise aktuell wieder auf dem Niveau wie vor Beginn des Krieges in der Ukraine. Im langjährigen Vergleich liegen die Preise jedoch immer noch extrem hoch. In den Jahren bis zu Beginn der Coronapandemie lag der Gaspreis stabil bei Werten zwischen 15 und 20 Euro pro Megawattstunde (MWh). Aktuell sehen wir Preise um 70 Euro/MWh. Das ist immer noch rund viermal so viel.
Wie sich die Strom- und Gaspreise weiterentwickeln, lässt sich jetzt noch nicht sagen. Sicher ist aber, dass wir nach wie vor darauf achten müssen, die Erdgasvorräte in den Speichern so wenig wie möglich zu belasten. Denn je voller die Speicher im Frühjahr sind, umso weniger zusätzliche Nachfrage entsteht für die Speicherfüllung bis zum Herbst. Das wirkt entspannend auf die Preise. Es gilt: Je geringer die Nachfrage nach Gas, desto geringer sind die Preise. Und deswegen müssen wir weiterhin sparen, was geht.
Stand: Januar 2023